Die Hauptschule Hiltrup ist eine städtische Gemeinschaftshauptschule. Sie befindet sich im Stadtteil Münster-Hiltrup, im Schulzentrum an der Westfalenstraße 199. Mit ihrer Vier- bis Fünfzügigkeit ist sie die größte Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Zurzeit wird sie von ca. 580 Schüler/n/innen besucht. Davon sind ca. 30 % Schulwechsler bzw. „­Rückläufer“ aus anderen Schulformen/Schulen. An der Schule befinden sich 95 ausländische Schüler/innen und 64 Übersiedler/innen (Stand Schuljahr 2005/2006). An der Schule arbeiten 45 Lehrer/innen sowie ein Diplom-Sozialpädagoge im Bereich Schulsozialarbeit und eine befristete weitere sozialpädagogische Fachkraft des Amtes für Kinder Jugendliche und Familien der Stadt Münster.

Ebenfalls in der Schule hat die beim Verein „­Jugendhilfe Direkt e.V.“ angestellte Diplom-Sozialpädagogin ihren Arbeitsplatz. Ihr Arbeits- und Beratungszimmer wird ihr von der Schule zur Verfügung gestellt. Nach Aussagen der Lehrer/innen hat sich der Anteil der schwierigen Schüler/innen in den letzten Jahren spürbar erhöht. Das gilt vor allem für diejenigen Jugendlichen, die in ihrem sozialen Umfeld mit Problemen wie Arbeitslosigkeit, Scheidung, unvollständigen Familien, Gewalt, Armut oder Alkoholismus konfrontiert werden.

Zahlreiche Schüler/innen kommen aus sozialen Brennpunkten der Stadt Münster (Berg Fidel, Burgwall, Osthuesheide). Zu dieser konkreten Problemsituation an der Hauptschule Hiltrup kommt der chronisch schlechte Ruf, den Hauptschulen und Hauptschüler/innen allgemein in der öffentlichen Meinung und in der Bevölkerung haben.

Angesichts dieser im doppelten Sinne schwierigen Situation ihrer Schüler/innen hat sich die Hauptschule Hiltrup ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Sämtliche Schüler/innen, auch die schwierigen, sollen einen der beiden Hauptschulabschlüsse nach Klasse 10 (10A einfacher Abschluss, 10B Mittlerer Abschluss, Fachoberschulreife) erreichen und mit einer klaren beruflichen Zukunftsperspektive die Schule verlassen. Um dieses Ziel zu erreichen, besteht seit mehreren Jahren eine enge Zusammenarbeit zwischen der Lehrerschaft, der Diplom-Sozialpädagogin von „­Jugendhilfe Direkt e.V.“ und dem zuständigen Berufsberater der Agentur für Arbeit Münster. Als vordringlich gilt, den Schüler/n/innen realistische Zugänge zum Berufs- und Ausbildungsmarkt zu eröffnen.

Darauf wird bereits frühzeitig hingearbeitet. Schwachen Schüler/n/innen wird beginnend in Klasse 5 zur Verbesserung ihrer Leistungen eine Übermittagsbetreuung angeboten. Der Verein richtete diese bereits 1996 gemeinsam mit der Beratungslehrerin der Schule ein. Sie findet im katholischen Jugendzentrum St. Clemens statt. An erster Stelle steht für die Schüler/innen die Betreuung der Hausaufgaben. Gleichzeitig bekommen sie mit, wie ältere Schüler/innen der Klassen 8, 9 und 10 an den PCs arbeiten und von der Diplom-Sozialpädagogin beim Suchen und Finden eines Ausbildungsplatzes unterstützt werden. Natürlich haben die Hauptschüler/innen auch die Möglichkeit, die laufenden Freizeitangebote des Jugendzentrums wahrzunehmen und in den Neigungsgruppen des Jugendzentrums mitzumachen. Aufgrund der starken Nachfrage wurde inzwischen ein weiteres Angebot der Übermittagsbetreuung in der Schule eingerichtet.

Äußerst wichtig ist die Einbeziehung der Diplom-Sozialpädagogin in den Wirtschaftslehreunterricht der Klassen 8, 9 und 10. Eingeladen wird die Diplom-Sozialpädagogin in den Wirtschaftslehreunterricht immer dann, wenn es um Fragen der Berufsorientierung geht.

Dafür verwenden die Fachlehrer/innen für Wirtschaftslehre und die Schüler/innen die Broschüren „­Mach’s richtig“ sowie „­Ausbildung und Schule. Beruf regional“, die von der Berufsberatung der Agentur für Arbeit Münster zur Verfügung gestellt werden. Ebenfalls zur Verfügung stehen die Broschüre „Beruf aktuell“ und die Internetplattform www.hiltruper-modell.de.

Beginnend in der Klasse 8 bis in die erste Hälfte der Klasse 10 werden diese Arbeitsmaterialien mit den Schüler/n/innen durchgearbeitet. Entlang eines vorgegebenen „Berufswahlfahrplans“ erarbeitet sich jeder Schüler und jede Schülerin die Informationen, die beim Suchen und Finden eines Ausbildungsplatzes benötigt werden. Im Einzelnen geht es darum, sich über die eigenen beruflichen Interessen klar zu werden, den eigenen Fähigkeiten auf die Spur zu kommen, das regionale und überregionale reale Angebot an Ausbildungsplätzen in den Blick zu nehmen. Schließlich wird gelernt, geübt und trainiert, was Mann oder Frau für das Bewerbungenschreiben und die Vorstellungsgespräche benötigt. Dieses alles geschieht unter Anleitung des Fachlehrers oder der Fachlehrerin und wird von der Diplom-Sozialpädagogin und dem Berufsberater unterstützt.

Außerhalb des Unterrichts findet je nach Bedarf die Unterstützung und Beratung der Schüler/innen statt. Dazu gehören die Übermittagsbetreuung vor allem in den Fächern Deutsch und Mathematik aber auch das Besprechen persönlicher Probleme, die mit der Erarbeitung des Berufswahlfahrplans entweder gar nichts oder nur indirekt zu tun haben. Die Diplom-Sozialpädagogin nimmt hier eine die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen fördernde Funktion wahr.

Ein ständiges Thema sind daher auch die Berufsvorstellungen der Jugendlichen. Sie sind in den meisten Fällen sehr begrenzt. Die Schüler/innen kennen nur wenige für sie infrage kommende Ausbildungsberufe. Dazu kommt die weitverbreitete Vorstellung, wonach es Berufe gibt, die für Jungen und solche, die für Mädchen reserviert sind. In vielen Berufen haben solche Abgrenzungen während der letzten Jahre jedoch abgenommen. Auch Jungen können Friseur oder Zahnmedizinischer Fachangestellter werden. Umgekehrt gilt das Gleiche. Auch Mädchen können sich zur KFZ-Mechatronikerin oder Zweiradmechanikerin ausbilden lassen. Hier werden im Gespräch manche Denkbarrieren außer Kraft gesetzt und bisher nicht vorstellbare Berufsmöglichkeiten in den Blick gerückt. Unterstützt werden diese Gespräche durch Hinweise auf das Beispiel ehemaliger Hauptschüler/innen, die „ungewöhnliche“ Ausbildungen durchlaufen und erfolgreich abgeschlossen haben.

Der Zweck der sozialpädagogischen Begleitung ist es, die Schüler/innen darin zu unterstützen, das selbst gesteckte Ziel zu erreichen: Die Hauptschule mit einem Abschluss zu verlassen und einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
In besonders schwierigen Fällen (Bewährungshilfe, Suchtproblematik, Schwangerschaft u. a. m.), die die Kompetenzen der Diplom-Sozialpädagogin übersteigen, wird mit den in der Stadt dafür zuständigen Einrichtungen zusammengearbeitet.

Den Schüler/n/innen steht also neben den Fachlehrer/n/innen und den beiden an der Schule tätigen Diplom-Sozialpädagogen mit der bei „­Jugendhilfe Direkt“ angestellten Diplom-Sozialpädagogin eine Person zur Verfügung, die ihnen Verschwiegenheit versprechen kann, der sie völlig vertrauen können und die ganztägig anwesend ist. Durch die individuelle Beratung gelingt es, das Selbstwertgefühl der Jugendlichen zu stärken und sie zu befähigen, ihre eigenen Potenziale wahrzunehmen und beim Übergang von der Schule in den Beruf einzusetzen.

Natürlich ist die Frage berechtigt, ob denn dieser ganze Aufwand zusätzlich zum Unterricht notwendig ist und ob er sich lohnt. Bevor in Kapitel 6.0 auch etwas über das Lohnenswerte dieser Bemühungen gesagt wird, soll zuerst die Frage nach ihrer Notwendigkeit geklärt werden, soweit das noch nicht deutlich geworden ist.

Diese besonderen pädagogischen Hilfen sind nötig, weil Betriebe immer weniger bereit sind auszubilden. Dazu kommt, dass viele Ausbildungen wie z. B. die zur Medizinischen Fachangestellten oder zum KFZ-Mechatroniker bereits den Mittleren Abschluss (10B, das ist Fachoberschulreife) als Zugang voraussetzen. Damit einher gehen wegen der Neuordnung der Berufsbilder die gestiegenen Anforderungen an die Leistungen der Jugendlichen in der Berufsschule.

Für die Jugendlichen mit einem Hauptschulabschluss kommt in Münster noch ein weiteres Problem hinzu. Die sehr hohe Zahl an weiterführenden Schulen in der Stadt führt dazu, dass in jedem Jahr auch eine übergroße Zahl von Schulabgänger/n/innen mit höheren Abschlüssen auf den Ausbildungsmarkt drängen. Von denjenigen mit Allgemeiner Hochschulreife oder Fachhochschulreife nehmen nicht alle sofort nach Beendigung der Schule ein Studium auf.

Das Spektrum der sozialpädagogischen und fachlichen Hilfen dient daher dem Zweck, die Hauptschüler/innen darin zu unterstützen, den bestmöglichen Schulabschluss zu erreichen, die berufliche Ausbildungsreife zu erlangen und auf dem Ausbildungsmarkt wettbewerbsfähig zu sein. Hierbei gilt es, die geschlechtsspezifischen Probleme des Ausbildungsmarktes zu beachten. Junge Frauen und junge Männer werden bei der Berufssuche und am Ausbildungsplatz mit sehr unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert. Angesichts dieser Situation hat es sich bewährt, dass Diplom-Sozialpädagogin und Berufsberater – der weibliche Blick und der männliche Blick – einander ergänzen.

v. l.: Dieter Hutten, Cornelia Walter, Bernd Ehrig
MZ 2. JULI 2005