„Jugendhilfe direkt“ setzt verstärkt auf längere Praktika: So bleiben Erfahrungen nicht an der Oberfläche.
Mit Geschick und Ausdauer
MÜNSTER-HILTRUP. Den eingeschlagenen Weg mit längeren Berufspraktika für die Schüler der Hauptschule Hiltrup möchte Hans-Werner Kleindiek vom Verein Jugendhilfe direkt unbedingt weitergehen. „Das hat sich bewährt. Dann bleiben die Praktikumserfahrungen nicht an der Oberfläche.“
Die Projekte sind der Öffentlichkeit nicht unbekannt geblieben. Bei den Alexianern bauten ein halbes Dutzend Schüler Holzhäuser aus Holz für das ambitionierte Projekt des Gartens der Stille, der im Laufe des Jahres eröffnet wird. „Sie haben etwas Bleibendes geschaffen und können davon noch lange erzählen“, ist Kleindiek überzeugt. Er kennt auch einen weiteren Effekt. Ein Schüler wurde Zuhause angesprochen, nun den Aufbau eines Carports zu übernehmen. „Du hast doch jetzt Erfahrung darin“, hörte er. Das ist der Unterschied: Während bei Praktika, die nur einen Tag oder maximal zwei Wochen dauern, die Schüler oftmals nur in den Berufsalltag hinein schnuppern können, bieten die Langzeitprojekte für alle Beteiligten ganz andere Möglichkeiten. Das hat sich in der Kooperation mit der Firma Zumnorde gezeigt, bei dem vier Schüler in wochenlanger Arbeit gelernt haben, einen Schuh herzustellen.
Den kompletten Weg über die Vermessung des Fußes bis hin zur Übergabe an den Kunden haben sie miterlebt. Sie lernten den Alltag eines orthopädischen Schuhtechnikers. Zweifelsohne profitierten dabei sie von dem reichen Erfahrungsschatz des Meisters Hermann Stork. „So eine Begegnung ist für junge Menschen ein Glücksfall“, weiß Kleindiek.
Zugleich trennt sich bei den Schülern womöglich die Spreu vom Weizen. Über Wochen an einem Projekt dran zu bleiben, und das auch noch freiwillig neben der Schule, dazu stets pünktlich zu sein. Wer das schafft, darf schon stolz sein. Hans-Werner Kleindiek freut sich zudem, dass sich alle vier Schüler als außerordentlich geschickte Handwerker erwiesen. „Sie haben ein Händchen für einen handwerklichen Beruf bewiesen“, erzählt er.
Dass die Arbeit eines orthopädischen Schuhtechnikers nicht nur Geschick, sondern auch Kraft erfordert, wurde schnell deutlich. Wenn das Durchstechen von Jeans-Stoff mit einer Nadel schon Kraft erfordert, dann erst recht der Umgang mit Leder. „Der Beruf des orthopädischen Schuhtechnikers hat Zukunft“, ist Kleindiek schon allein wegen wachsender Zahlen der Diabetes-Patienten überzeugt.
Das nächste „Langzeit“-Projekt ist bereits in der Planung. Gemeinsam mit der Firma Herber & Petzel in Handorf werden voraussichtlich vier Schüler eine Schreibtischlampe erstellen. Zudem findet am 27. April das Berufsforum in der Hauptschule Hiltrup statt. Eingeladen sind dazu auch die Schüler der benachbarten Johannes-Gutenberg-Realschule.
Kleindiek weiß: „300 Ausbildungsberufe gibt es in Deutschland, den meisten Schülern sind allerdings nur zehn Berufe bekannt. Auf unserer Informationsmesse werden rund 100 Ausbildungsberufevorstellen.“
Quelle Westfälischen Nachrichten vom 19. 2. 2016 – Michael Grottendieck